Ukarimu (Gastfreundschaft)
Karibuni nyumbani! Tansanische Gastfreundschaft, ihre Vielfalt, Hintergründe und was wir von ihr lernen können.
Ukarimu - Gastfreundschaft
Karibu nyumbani kwetu! (Willkommen in unserem Zuhause).
In einigen Begegnungen dieses Jahr mit neuen Bekannschaften in Tansania, habe ich die Erfahrung gemacht, gleich ins Haus des Gegenübers eingeladen zu werden. Bei Besuchen wird oft Saft und gutes Essen bereitgestellt, manchmal gibt es eine kleine Zimmertour und durch die gelassene Atmosphäre und fürsorglichen Fragen fühlt sich das „KARIBU!“ nicht wie eine leere Floskel an, sondern ernst gemeint.
Natürlich unterscheiden sich die Vorstellungen von Gastfreundschaft in Land, Region und Familie. Die Art und Weise, wie ich in meinem Auslandsjahr jedoch Ukarimu (Gastfreundschaft) erfahren darf, hat etwas Besonderes, weshalb das nun auch Thema dieses Artikels ist. In einer Umfrage, an der 16 Tansanier*innen (Tz) und 12 deutsche Volunteers (Ge) teilgenommen haben, nahmen die Befragten persönlich Stellung zum Thema (Ergebnisse der Umfrage, siehe Diagramme).
„Tumefika“ (Swahili für: 'wir sind angekommen') ploppt eine SMS auf dem Handybildschirm auf. Jemand steht vom Sofa auf und öffnet einladend die Haustür:
„Karibuni sana, ingia tu“ (willkommen, kommt nur rein).
"Karibu kiti, unapenda maji au juizi, mgeni?" (setz dich gerne, möchtest du Wasser oder Saft, Gast?)
Was sollte für eine*n Mgeni getan werden?
Kurzgesagt: „Freedom, love and kindness“, (Othman, 23, Tz). Getränke und Snacks sind willkommen, Hosts sollten „attentive about needs“, sein (Ida, 19, Ge). Am besten sollte immer jemand bei dem/der Mgeni sitzen, während die anderen z.B. das Essen vorbereiten. So soll das unangenehme Gefühl, alleingelassen zu sein vermieden werden- eine Geste des kümmernden Gastgebenden.
In Tansania gehört es zum guten Ton, den Gästen vor dem Essen die Hände als erstes zu waschen und diese aufzufordern, sich als erste Essen zu nehmen. Ein*e Mgeni hat also einen hohen Wert. Dabei können je nach Familienkonstellationen jedoch auch erst die Hände der Familienoberhaupt durch die Kinder oder dem Personal gewaschen werden und im Anschluss die der Gäste. Manchmal findet sich auch ein Waschbecken in Nähe des Esszimmers, wodurch ein*e Mgeni sich auch selbstständig die Hände waschen kann.
„You can cook and clean the whole house and care a lot, but it depends on the [kind of] guest and the relationship. You can even cook together, if the guest feels more comfortable that way“*, (Tumaini, 22, Tz).
„Ongeza!“ (nimm dir noch mehr Essen). Diesen Ausdruck durften wir Freiwilligen zu Beginn in unseren Gastfamilien extrem häufig hören. Es kann sich aufgezwungen anfühlen oder manchmal auch bevormundend. Ich hab schon öfters die Erfahrung gemacht, dass mir Essen einfach ungefragt auf den Teller gelegt wurde, was ich erstmals als eher übergriffig wahrnahm. Dahinter steckt der Wunsch, die mögliche Zurückhaltung des Gastes aufzulösen und zu zeigen, dass die Hostfamilie wohlhabend ist und „Chakula kutosha kabisa“ (mehr als genug zu essen) hat (Mama Mwema, 54, Tz).
Sich zu erkunden, ob ein*e Mgeni über Nacht bleiben möchte oder auf welche Weise diese*r sicher nach Hause zurückzukommen gedenkt, ist angebracht – eine*n Mgeni selbst nach Hause zu bringen oder das Taxi zu bezahlen dagegen eher zu viel. International sind sich die Befragten jedoch einig, Mgeni „should feel very free, feel at home, karibu tena!“, (Andrea Cleophas Juma, 24, Tz).
Was wird von einer/m guten Mgeni erwartet?
Je geduldiger und verständnisvoller ein*e Mgeni ist, desto weniger Stress haben die Gastgebenden natürlich. Gute Gäste sprechen über ihre Bedürfnisse, das macht das Gedankenerraten leichter. Ein Großteil schätzt kooperative Gäste, dafür reicht es schon, im selben Raum zu sein und das Handy wegzulegen. „Guests can be individual. So also an introverted person, who might not be talkative can be a nice guest as well“, (Ylva, 19, Ge).
Manche Hosts fühlen sich gestresst, wenn ein*e Mgeni deren Hilfe anbietet, die meisten haben jedoch Verständnis für das Bedürfnis des Gastes, etwas beizutragen oder heißen es sogar sehr willkommen. Ist meine Gastfamilie zu Besuch bei jemandem oder andersherum, kommen alle Frauen zusammen und kochen gemeinsam in der Küche, um einander zu entlasten- egal ob Mgeni oder Host. Anscheinend gehört es sich nicht die männlichen Gäste zum Helfen aufzufordern, da so viele Frauen in der Küche stehen und das manchmal als „Ihr Territorium“ verstanden wird (Joachim, 36, Tz). Wenn männliche Gäste ihre Hilfe dann von sich aus anbieten, ohne direkt in die Küche einzufallen, wird dies meiner Erfahrung nach jedoch positiv aufgenommen. „Man kann viele Dinge tun, um ein ´nice guest´ zu sein. […] nach Benutzung die Toilette sauber hinterlassen […] Was am Ende nötig ist, um ein guter Gast zu sein, hängt wohl vom Gastgeber ab. Und ein guter Gastgeber hängt wohl vom Gast ab“, (Jonas Epkenhans, 25, Ge).
Weil Gäste hoch im Kurs stehen, würden laut Umfragen tansanische Hosts eher dazu tendieren, Müdigkeit oder eine andere Verabredung vortäuschen oder schlichtweg das unangenehme Verhalten eines Mgeni tolerieren, als schlechtes Benehmen direkt anzusprechen, da dadurch ein*e Mgeni blamiert werden könnte. Gerade die jüngere Generation beider Seiten setzt allerdings auf respektvolle und direkte Kommunikation über schlechte Manieren oder alternative Angebote: „Come up with an urgent task you had not thought of before- Go on a walk together (Matembezi)”, (Ida, 19, Ge).
Warum hat Ukarimu einen so hohen Stellenwert?
Eine*n Mgeni zu hosten bedeutet für viele befragte Tanzanier*innen Segen. Wenn Gäste kommen, müssen folglich die Besuchten gute Menschen sein, so wurde es mir bisher erklärt. Da Religion und Glaube in Tansania fest zur Identität vieler Menschen gehören, begründen einige der tansanischen Befragten ihre positive Einstellung zu Gästen mit der Bibel oder dem Koran.
Bibel: „Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen und ihr habt mich getränkt. Ich bin Gast gewesen und ihr habt mich beherbergt.“ ~Matthaeus 25:35, 43
Koran: „Has the story reached you of the honored guests of Abraham? Behold they entered his presence and said: ´PEACE´. Then he turned quickliy to his household brought out a roasted fattened calf and placed it before them. He said: “Will you not eat?” ~ Quran 51: 24-27
Bibel: „Gastfreundlich zu sein vergesst nicht; denn dadurch haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt“ ~ Hebraeer 13:2 (Benito, 38, Tz).
Wie man diesem Vertrauensvorschuss entgegenkommen kann, kommt z.B. durch ein Gastgeschenk zum Ausdruck. “Ein „Zawadi“ (Gastgeschenk) wird i.d.R. gern angenommen, denn es ist eine Geste der Wertschätzung. Innerhalb eines Ortes, bringen sich Familien z.B. einen Sack Reis mit, um fürs vorbereitete Essen des Hosts aufzukommen. Einzelne Gäste bringen bevorzugt Obst als Gastgeschenk. Kommen die Gäste von einem anderen Ort, gilt es, eine dortige Spezialität zu verschenken- Reisen kostet Geld und auf diese Weise ermöglicht ein*e Mgeni einen kleinen Reiseeinblick. Wichtig bei Thema Zawadi: Nicht auf die Größe oder auf den monetären Wert kommt es an, sondern auf den Gedanken, denn „presents are not expected, but a nice guesture“ (Dainess, 30, Tz). Ukarimu steht folglich für ein kümmerndes Miteinander, für Liebe und Wertschätzung des Gegenübers egal in welcher Position.
Bildkonstellation https://www.mappr.co/location/tanzania/ (Erfahrungen von Freiwilligen und Bekannten)