Kunst auf Unguja – zwischen den Stone Town Gassen

Der sansibarische Künstler Omar Muhidin Masoud berichtet in einem Interview über seinen Alltag im Henna Studio in Stone Town, die Bedeutung von Kunst in der sansibarischen Gesellschaft und seine persönliche künstlerische Entwicklung.

Malstunde mit Omar Malstunde mit Omar [Foto von Elisa Leardini, Copyright by Elisa Leardini]

Kunst auf Unguja – zwischen den Stone Town Gassen

Stone Town ist bekannt für seine bunten Gassen, in denen sich zahlreiche lokale Kunstateliers und kleine Geschäfte mit Handwerkskunst befinden. An vielen Ecken entdeckt man eine große Vielfalt an Kunst: Von Holzschnitten zu Fineliner-Zeichnungen traditioneller Türen bis hin zu Acrylgemälden von Tieren, Aquarellen mit Gassenansichten und vielem mehr.

Das Henna Studio, gelegen in der Gasse Hurumzi Changa Bazar (Türnummer 232), ist einer dieser Orte, wo mehrere Künstler:innen ihre Werke gemeinsam verkaufen. Es ist für seine besondere Idee bekannt, die traditionelle Hennakunst – üblicherweise auf Hände und Füße – auf Papier zu übertragen. Auf Leinwände und Postkarten malen die Künstlerinnen mit Acrylfarben, mit derselben filigranen Technik wie bei der klassischen Hennamalerei, ihre Motive. Neben der Henna-Kunst werden im Studio auch andere Werke mit unterschiedlichen Techniken verkauft, darunter zum Beispiel traditionellen Türengemälde und Straßenszenen aus Stone Town.

Omar Muhidin Masoud ist ein sansibarischer Künstler und Teil des Henna Studios, wo er sowohl selbst seine Werke malt und verkauft als auch mehrere Schüler:innen unterrichtet – ich war dieses Jahr eine davon. Kunst war schon immer ein fester Bestandteil seiner Familie und so wie Omar selbst sind auch mehrere Brüder und Schwestern künstlerisch tätig.

Während einer unserer gemeinsamen Malstunden habe ich Omar einige Fragen zu seiner Kunst, seiner Arbeit und seinem Alltag als Künstler gestellt, um einen tieferen Einblick in das Leben eines Künstlers in Stone Town zu bekommen. (Das Interview fand auf Englisch und Kiswahili statt und wurde anschließend ins Deutsche übersetzt)

„Wann hast du mit dem Malen und Zeichnen angefangen?“

„Ich habe im Jahr 1978 mit dem Lernen begonnen und war bis 1989 Schüler. In dieser Zeit habe ich verschiedene Techniken und Stile ausprobiert, zum Beispiel Batiken, Figurenmalerei, Aquarellfarben, das Malen von Slogans und Schriftzüge sowie viel weiteres. Ab 1999 hatte ich dann keinen Lehrer mehr, sondern habe mir Moderne Kunst und Abstrakte Kunst selbst beigebracht. 2010 habe ich schließlich angefangen, selbst zu unterrichten, und bis heute hatte ich, glaube ich, etwa 17 Schüler:innen.“

„Wieso hast du dich entschieden, Künstler zu werden?“

“Ich weiß es nicht genau, ich glaube, ich wollte, dass mich die Leute hier als bekannten Kunstlehrer kennen.“

„Wie sieht ein typischer Tag für dich aus?“

„Früh am Morgen gehe ich fischen, so ungefähr von 6 Uhr morgen bis 12 Uhr mittags. Ich bin nämlich sowohl Künstler als auch Fischer. Danach gehe ich kurz heim, um mich zu waschen und um was zu essen. Ab 16 Uhr bin ich dann im Henna Studio und bleibe bis so ungefähr 21 Uhr da. Die Familie und die Freunde sehe ich zwischen den zwei Arbeiten oder am Abend.“

„Gibt es Kunstkollektive auf der Insel? Und Ausstellungsräume?“

„Es gibt zurzeit nicht wirklich Ausstellungsräume, wir stellen unsere Kunst sozusagen in den Shops aus. Damals als ich angefangen hatte, war ich Teil von dem Kollektiv ZAIAA, doch wir haben uns wegen Missverständnisse und Konflikte innerhalb der Gemeinschaft aufgelöst und jetzt ist das Henna Studio meine neue Gemeinschaft geworden.“

„Was gefällt dir besonders von deiner Arbeit?“

„Ich liebe es mit Aquarell zu malen, Aquarellfarben sind in meinem Herz. Am besten gefällt es mir damit die Straßen von Stone Town zu malen. Die verschiedenen Gassen in den ich aufgewachsen bin. Aber ich male auch gerne mit Acryl-, Öl- und Pastellfarben.“

„Was sind die Herausforderungen von dem Künstlerjob auf Unguja?“

„Die größte Herausforderung ist der Markt. Es gibt mittlerweile viel zu viele Künstler:innen auf der Insel, die alle dasselbe malen. Immer die gleichen Motive, dieselben Tiere zum Beispiel. Alles sieht gleich aus und es gibt viele Shops mit denselben Sachen. Und einige verkaufen ihre Kunst dann zu einem viel zu niedrigen Preis. Der Markt ist auf jeden Fall die größte Herausforderung.“

„Welche Rolle hat Kunst in der sansibarischen Gesellschaft?“

“Kunst hat meiner Meinung nach keine besondere Rolle in der sansibarischen Gesellschaft. Es ist nämlich keine Tradition, Kunstwerke im eigenen Haus aufzuhängen - wenn dann werden sie eher verschenkt. Einheimische Menschen kaufen keine Kunst, der Markt ist für die Hotels, die hier überall sind und für Tourist:innen.“

Was für Möglichkeiten gibt es für junge Menschen, die gerne Künsler:innen werden würden?

„Die nächste Generation? Wir sind gerade noch dabei sie zu unterrichten, aber bald wird es wirklich viele neue junge Künstler:innen geben. Hoffentlich wird sich der Markt verändern, mit mehr Nachfrage. Aber das ist ein Traum, keine Garantie.“

Das Interview mit Omar Muhidin Masoud bietet einen kurzen Einblick in seinen Künstleralltag und verdeutlicht, welche Rolle seiner Wahrnehmung nach Kunst in der sansibarischen Gesellschaft hat. Eine Gesellschaft, die zurzeit Kunst als Produkt für den Tourismusmarkt sieht. Gleichzeitig zeigt es, wie wichtig es für ihn ist, künstlerische Traditionen an den neuen Generationen weiterzugeben. Omar bleibt die Hoffnung, dass sich der Stellenwert von Kunst innerhalb der sansibarischen Gesellschaft langfristig verändert und dadurch neue Perspektiven für junge Künstler:innen entstehen.