Der universelle Schlüssel
„Und wie ist Afrika?“ „Keine Ahnung, aber meine Zeit in Tansania gefällt mir sehr gut“ „Ja wie ist das Leben dort „unten“, hast du überhaupt Strom und Wasser?“ Ich weiß nicht, ich lebe ganz normal, zwar mit vielen kulturellen Veränderungen, aber mit Wasser und Strom!“. Über die Kommunikation und Kultur.
Ich lebe nun seit fast 6 Monaten in Machame am Kilimanjaro in der Nähe von Moshi. Am Anfang, in den ersten paar Wochen, kam mir alles wir ein großer Raum mit endlos vielen verschlossenen Türen vor. Ich denke, es gibt bei jedem Freiwilligen eine Zeit, in der es einem genau so oder ähnlich ergeht. Alles Neue, jeder neue Eindruck, jede neue Gepflogenheit ist wie ein Rätsel, das dich zu einem der Schlüssel für eine Tür führt. Das Problem ist, die Kulturen unterscheiden sich nochmal von Region zu Region, was Tansania, sogar ganz Afrika so einzigartig macht, aber es unmöglich erscheinen lässt, jede Tür zu öffnen, um das große Ganze zu verstehen. Allerdings ist es natürlich, dass man so viel verstehen möchte wie möglich, wenn man schon mal in einer, in für Menschen aus dem „Westen“, „fremden Welt“ ist. So, was soll man tun? Eigentlich wäre es doch cool, wenn man einen universellen Schlüssel für alle Türen hätte, oder nicht?
Naja, am Anfang spielte ich den stillen Beobachter, d.h. ich habe möglichst viel entdeckt, versucht zu beobachten und auch so gut es geht zu bewerten. Auch wenn uns die Deutsch-Tansanische Partnerschaft e.V. vom vorschnellen Bewerten ja abrät, denke ich trotzdem, dass es in gewisser Weise normal ist, wenn man so lange in Deutschland gelebt hat und damit hier so vieles einem einfach unverständlich vorkommt. Ich sage damit nicht, dass es richtig wäre, gleich alles auf die ersten Blicke zu beurteilen, da so Vorurteile und Unwahrheiten entstehen, aber ich habe mich selbst öfters erwischt, als ich am Anfang gedacht habe. Auf jeden Fall, merkt man irgendwann, dass diese Taktik nicht funktioniert, auch wenn man so einen sehr groben Überblick bekommt und bemerkt, Nein! Tansania ist nicht „König der Löwen“, dass nicht überall Löwen rumlaufen, dass nicht alle Menschen in heruntergekommenen „Lehmhütten“ wohnen und dass Kinder anstatt nackt und verhungert im Staub stehen wie auf den etlichen Bildern, sie in Schuluniform jeden Morgen in die Schule gehen. Ja, es gibt Zivilisation, geteerte Straßen, Autos, Busse, Hochhäuser, auch wenn es sich von der westlichen Welt trotzdem sehr unterscheidet. Wäre doch schlimm wenn nicht!
Mein zweiter Schritt war Kontakte zu knüpfen, die mir vielleicht helfen könnten, bestimmte Rätsel zu lösen und damit weitere Türen zu öffnen. Leute, die dich ein bisschen in die Kultur einführen, die dir möglichst viel erklären, dich der Sprache näher bringen und dich vielleicht auch zu bestimmten Veranstaltungen oder Spots mitnehmen können, um das „normale Leben“ kennenzulernen und um weitere Kontakte zu knüpfen. Auch der Kontakt mit beispielsweise Arbeitskollegen kann sehr hilfreich. Der interkulturelle Austausch besteht allerdings nicht nur darin, dass sie dir alles über ihr Leben und ihre Sichtweisen erzählen, sondern dass man selbst auch aktiv wird und den Leuten auch mitteilt, wie man Sachen in Deutschland handhabt. Es sollten beide Seiten profitieren. Der „Struggle“ bei dieser Herangehensweise ist, dass du Menschen finden musst, die mit dir auch Englisch reden können, da man in der ersten Zeit noch nicht über großes „Kiswahilli-Knowledge“ verfügt. Du erhälst so zwar ziemlich viele Schlüssel, aber die sind abhängig vom Wohnort und Alter deines Freundes, da er dich natürlich nur in seine Sicht, seine „Welt“ einführen kann. Außerdem habe ich so das Kiswahili-Lernen vernachlässigt, da ich nach der Arbeit meine ganze Freizeit „geopfert“ habe und unterwegs war, viel mit meinen Freunden unternommen habe, Fußball spielen, am Fluss abhängen, in die Stadt fahren und so weiter und viel Englisch geredet habe. Ich habe Fortschritte gemacht, keine Frage, und bereuen tue ich diese Methode auf keinen Fall, da ich so gute Freundschaften und Freizeitmöglichkeiten erhalten habe.
Meine drittes und aktuelles Vorgehen würde ich meiner Meinung nach als den „universellen Schlüssel“ bezeichnen: Kiswahili. Ich habe angefangen, die Sprache mehr zu lernen, habe schnell große Fortschritte gemacht und siehe da: Alles ist leichter. Du kannst dich mit deinen Freunden leichter verständigen und da du überall sehr oft angesprochen wirst, lernst du durch viele kleinere oder größere Gespräche die „Kultur(en)“ aus vielen Sichtweisen kennen. Man wird viel seltener als „Mzungu“ angesprochen und du zahlst auf einmal kaum mehr die überteuerten Preise für Weiße, sondern die regulären. Auf einmal findest du Anklang und wirst nicht mehr wie ein Weißer behandelt, sondern wie ein Einheimischer, obwohl das Bild, dass wir Geld im Überfluss haben und im „Paradies“ leben, gefühlt nie verschwinden wird. Alles in allem ermöglicht dir dies das Öffnen von Türen, die du nie für möglich gehalten hast.
Was jedoch Fakt ist, dass man nicht alle Türen öffnen kann, dazu sind es viel zu viele. Jedoch ist das auch kein Muss. Ich meine, praktisch gibt es in jeder Region eine andere Lebensweise und Sprache. Ich zum Beispiel lebe im Gebiet der „Chagga“ und die meisten Menschen sprechen hier auf der Straße „Kichagga“ / „Kimachame“, sprechen aber auch gleichzeitig die Ostafrikanische-Einheitssprache „Kiswahili“ und beides wäre einfach zu viel zu lernen, aber so werde ich eben bestimmte Türen nicht öffnen können. Meiner Meinung nach sind alle drei Phasen wichtig. Die erste Phase, um zu lernen, dass man nicht alles gleich auf eigene Faust einschätzen und darüber urteilen sollte. Die zweite Phase ist fast genauso wichtig wie Phase drei, da man dadurch gute Freundschaften schließt, die dir in guten und schweren Zeiten weiterhelfen können. Der universelle Schlüssel ist die wichtigste Phase und hilft einem persönlich am meisten weiter, trotzdem glaube ich, dass alle Methoden auf ihre Weise wertvoll sind und einmal ausprobiert werden sollten.